Daniel N. Seel

KIVA/Batelan für Gitarre und Violoncello mit Live-Elektronik (2009)

graphische Musik zu 2 Bildern von Karl Otto Götz
Besetzung: Gitarre, Cello
Gitarre, Cello
Spielpartituren (2)
Mitgelieferte Stimme(n): Gitarre, Cello
Geheftet
Format: 21 x 29,7 cm
Seiten: 28
Gewicht: 114 g
Verlag Neue Musik / NM1169
ISMN: 9790203212683
ISBN: 9783733306540

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Vorbemerkung
Die Komposition KIVA/Batelan ist der Versuch, zu Faktur und Ausdruckswelt der Rakelbilder von Karl Otto Götz ein musikalisches Pendant zu entwerfen. In Analogie zur Verfahrensweise des Künstlers, heterogen-dynamische Bildelemente auf der Leinwand miteinander in Kollision geraten zu lassen, werden Strukturderivate, die aus den Bildern KIVA (1962) und Batelan (1974) abgeleitet sind, miteinander konfrontiert, sie prallen gleichsam in mehr oder weniger eindeutig definierten Klang und Zeiträumen aufeinander. Dabei wird die Stimme zu KIVA der Gitarre und die zu Batelan dem Violoncello zugeordnet, beide Instrumente sind also samt den ihnen jeweils applizierten Lautsprechern und Effektgeräten zwar als aufeinander gerichtete, dennoch aber zunächst als von jeglichem Kontext entbundene, aus sich heraus wirkende musikalische Einheiten zu verstehen.
Im Zuge der Arbeit am Stück wurde es mir zunehmend wichtig, die aus dem Bildnerischen abgeleiteten musikalischen Materialien strukturell und formal aufeinander zu beziehen, ohne dem Material durch Überformung seine Spontaneität und Lebendigkeit zu nehmen. Aus diesem Grunde sind Verläufe genau bezeichnet, wohingegen die konkrete Definition der Tongestalten, sowie deren Ausbreitung in Strukturen und Klangprozessen nur vage beschrieben und weitgehend der Verantwortlichkeit und Schöpferkraft der Interpreten überlassen werden. Dieser implizite Rekurs auf die graphische Musik der 50er, 60er und 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, vor allem auf jene der Amerikaner Earle Brown und Morton Feldman, ist, an deren Ästhetik anknüpfend, als Ausdruck des Willens zu verstehen, das musikalische Material zu befreien und dem Klang sein Eigenleben zurückzugeben. Der Komponist möchte dabei weniger Demiurg und Verfasser eines Werkes im herkömmlichen Sinne denn als Geburtshelfer von entfesselten, autonomen, spontan ins Leben gerufenen und nicht durch ein Übermaß an Kontrolle in den Bereich musikalischer Konventionalität gedrängten und gemaßregelten Klängen auftreten. In technischer Hinsicht habe ich mich weitgehend an der Genese der Rakelbilder orientiert. Zunächst, als erster Schritt , war dazu allerdings ein „Rückschritt “ notwendig: die „Rückübersetzung“ der Malerei in zeichnerisch-musikalische Skizzen, die ich mithilfe transparenter Folien von Reproduktionen der Vorlagen abgenommen und sodann
zu quasi geometrischen Grundgestalten vereinfacht habe. Diese Vorlagen wurden dann variiert, entwickelt und schließlich „spontan“, wie in der Arbeit mit dem Rakel, in eine vorläufig verbindliche Form gebracht. Deren Nachbearbeitung durch Fixierung und Ergänzung mit Spielanweisungen und Zustands- oder Prozeßbeschreibungen in der graphischen Stimme beschränkte sich sodann darauf, einen Zustand zu erreichen, welcher das Aufhören, das Loslassen erlaubte.
Das nun vorliegende Stimmmaterial ermöglicht den Interpreten, sich in weitgehender Freiheit mit den vorgegebenen Strukturen gestalterisch auseinanderzusetzen – vielleicht sollte man besser sagen: es nötigt sie dazu. Denn nichts ist schwieriger, als sich der Freiheit zu stellen, sich ihr auszusetzen und zu versuchen, den Klängen wie dem Hörer dabei verantwortungsvoll gerecht zu werden. Diese Freiheit zu wagen, haben mich die beiden meisterhaften Musiker Thomas Schmidt und Manuel Fischer-Dieskau ermutigt. Ihnen ist die Komposition denn auch gewidmet.

Daniel Seel