Das Volkslied “Heute bin ich rot” ist ein Totenlied aus dem Burgenland. In einfacher Melodie und einfachen Rhythmen wird die Entschlossenheit eines zum Tode bereiten jüngeren Menschen dargestellt:
Heute bin ich rot, morgen bin ich tot, und heute sind noch meine Wangen rot.
Heute lieg ich noch in meines Vaters Bett, und morgen kommen sechs und tragen mich weg.
Sie tragen mich heraus und nimmermehr herein, sie tragen mich auf ewig in Friedhof hinein.
Alle meine Herrn, um was ich euch noch bitt: um ein Vater-unser-der-du-Bist.
Bestimmt singen auch Kinder – wenn sie überhaupt singen – dieses Lied, ohne tiefer darüber nachzudenken, was für einen Hintergrund es hat. Heutzutage singen wir keine Volkslieder mehr, sondern lieber Fußballhymnen oder jodeln in Bierstuben, um das Leben zu genießen und uns in unserer Gesellschaft zurechtzufinden. Aber das stimmt nicht ganz. Das grausame Totenlied “Heute bin ich rot” ist nur in Vergessenheit geraten – und die Welt ist leider grausamer geworden. Gegen Ende meiner Komposition wird das Lied “wie ein Leierkasten” zitiert; dann beginnt der Leierkasten zu stottern: das Lied erstickt. Die Wangen des Mädchens sind nicht mehr rot. Der Sarg des Mädchens wird zum Friedhof getragenm, wo nur die Vögel singen.
Mayako Kubo, Paris, Februar 2018
28,80 €
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