Caspar René Hirschfeld

Lebensfries für Klavier (1999)

Musik in 5 Teilen nach Dichtungen von Edvard Munch
Besetzung: Klaviere
Klavier
Dauer (h:m:s): 01:10:00
Schwierigkeitsgrad: 4=Schwer
Geheftet
Format: 23 x 31 cm
Seiten: 76
Gewicht: 289 g
Verlag Neue Musik / NM3813
ISMN: 9790203264552
ISBN: 9783733334222

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Beschreibung

Die Faszination, die die Bilder des norwegischen Künstlers Edvard Munch auf mich ausüben, reicht lange zurück. Jedoch erst bei meinem Skandinavien-Aufenthalt 1994/95 begann ich, mich intensiver mit diesem Künstler auseinanderzusetzen. Dabei entdeckte ich für mich auch die weithin wenig bekannte Tatsache, dass den meisten Bildern Munchs in der ersten Hälfte seines Lebens, also in der Zeit seiner Arbeit am Lebensfries, mehr oder weniger spontane literarische Auswürfe vorausgingen. Ja, das gesamte Lebensfries hatte er nach eigener Aussage bereits „lange vorher in dichterischer Form fertig“. Dabei wäre es natürlich weit gefehlt, Munchs Bilder als Illustration zu seinen Texten oder die Texte anders herum als Erklärung seiner Bilder zu betrachten. Text und Bild waren beides Stadien auf der Suche nach dem letzten Ausdruck.
Einen Großteil seines Lebens arbeitete Munch am Lebensfries, an der Idee eines Zyklus‘ von Bildwerken, welcher den immerwährenden Kreislauf menschlichen Lebens, Leidens und Liebens behandelt.
Die Hauptabschnitte, in welche das Lebensfries gegliedert sein sollte und um die alle anderen Themen kreisen, waren Liebe, Angst und Tod.
Viele Bilder aus jener Zeit verarbeitete Munch wieder und wieder, zum Teil in unterschiedlichen Techniken (den berühmten Schrei z. B. über 50-mal). Und auch in den dichterischen Entwürfen finden sich Wiederholungen, Ähnlichkeiten, Variationen.
Wie seine Bilder sind auch die Texte Munchs ein direkter, manchmal erschreckend deutlicher Spiegel seines Seelenzustandes. Der Kunstwissenschaftler und Munch-Experte Poul Erik Tøjner spricht vom „psycho-existenziellen Imperativ” bei Munch und von der speziellen Klaustrophobie in seinen Bildern: dem „Eingeschlossensein in die eigene Seelen-Landschaft”.

In der Musik in 5 Teilen für Piano solo (entstanden 2000) wird die Munch‘sche Idee vom Lebensfries auf die Musik übertragen. Es ist ein konzertfüllender Zyklus (ca. 70min), basierend auf meiner Beschäftigung mit Munchs Dichtung und Malerei, wobei für die Dramaturgie der Musik die Texte Munchs von primärer Bedeutung waren. Wiederum soll jedoch die Musik keinesfalls als Illustration oder „Vertonung” von Munchs Texten oder Bildern gesehen werden. Es ist nur ein weiterer Versuch und nur ein weiteres Medium, auf der Suche nach der Verwirklichung von Munchs Grundidee.
Die Musik in heutiger Tonsprache, ohne vordergründige geographische oder zeitliche Bezüge zu Munchs Leben, ist als Variationszyklus gearbeitet und bewegt sich dabei in dem Spannungsfeld zwischen der spontanen, teilweise fragmentarischen Emotionalität von Munchs Texten, und den in ihrer äußerst konzentrierten und klaren Formsprache immer auf maximalen Ausdruck bedachten Bildwerken. Dabei entstanden die Kompositionen nicht „entlang” der Werke Munchs, sondern als Ausdruck meines eigenen „Lebensfrieses“: Die Musik lebt und atmet in der Polarisierung von ruhiger Verinnerlichung von Impression und der
Expression des Ausbruchs aus dem eigenen Sein.
Kompositorisch ist das Werk in für mich typischer Art aus einer strukturellen Keimzelle entwickelt, die bereits alles harmonische, rhythmische, melodische und auch formbildende Material enthält.

In Variation von Munchs eigener Gliederung ist der Klavierzyklus in 5 Teile gegliedert:
Einsamkeit (Meeresfrau – Madonna – Abend – Melancholie – Eifersucht – Sphinx),
Angst (Abend auf der Karl-Johan-Straße – Schrei),
Begehren (Vampir – Asche – Losreißen – Rastlos – Sphinx II),
Tod (Todesengel – Fieber),
Liebe (Zwei Menschen – Sommernacht – Sphinx III – Anziehung – Kuss)

Die Übergänge zwischen den nach Munchs Bildern und Texten genannten Untertiteln innerhalb dieser 5 großen Abschnitte sind in der Komposition teilweise fließend, d. h. es sind keine separaten Stücke, sondern lediglich Stationen eines Kreislaufes, – „Entwürfe” nicht im Sinne mangelnder Durcharbeitung, sondern im Sinne vom offenen Ende, ähnlich der Momenthaftigkeit von Munchs Texten.

Die Uraufführung des Werkes erklang zur Eröffnung der Ausstellung „Edvard Munch und Lübeck“ im Kunstmuseum Lübeck 2003,
Solist war Werner Barho. Es folgten zahlreiche Aufführungen u. a. im Westfälischen Landesmuseum Münster, in Odessa, Dresden.
Einige der Aufführungen wurden ergänzt durch Lesung der Texte Munchs jeweils vor den 5 Teilen des Zyklus. Die vorliegende Ausgabe entstand unter Mitarbeit des Pianisten Lorenz Trottmann, der das Werk u. a. 2024 im Museum Otto Niemeyer-Holstein auf Usedom spielte.

C. René Hirschfeld




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