Dem Andenken meiner Mutter

Als die Nachricht kam, meine Mutter sei tot, dachte ich mir: Wie dumm bin ich gewesen. Warum hatte ich sie nicht rechtzeitig noch einmal besucht? Nun ist alles vorbei. Angst und Feigheit davor, die Wahrheit zu erfahren, hatten die Oberhand gehabt. Die Kraft, Schwierigkeiten anzupacken und sich mit der Realität auseinanderzusetzen, hatte gefehlt.
Die Heimat ist so weit entfernt. Meine Mutter lebe ewig, hatte ich gedacht. Um diesen Gedanken wiedergutzumachen, beschloss ich, ein Streichquartett für sie zu schreiben.
Angst und falscher Ehrgeiz, gut zu sein, störten mich dabei, die Musik für das Streichquartett niederzuschreiben. Das Streichquartett war für mich immer etwas Heiliges und Vollkommenes.
Nun ist die Zeit gekommen, das zu überwinden. Es gibt keine Entschuldigung mehr. Während des Komponierens war mir meine Mutter stets gegenwärtig, so dass das Stück buchstäblich in Gedanken an sie entstanden ist.
Dem Streichquartett liegt das Kinderlied „Oh wie wohl ist mir am Abend“ zu Grunde. Die Melodie des Kinderliedes zieht sich durch fast alle vier Sätze hindurch. Dazu spielt in der kompositorischen Struktur das Gedicht „Am Abend“ von Ingeborg Bachmann eine wesentliche Rolle.